Unsere Homepage ist übersiedelt!

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Geistliches Wort

Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.

2. Timotheus 1,7

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann uns will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Aus dem Bekenntnis von Dietrich Bonhoeffer

WIR sind voll angekommen – im Jahr 2022 – sowie in der x-ten Coronawelle. 

Kennen Sie die Sehnsucht in einen Winterschlaf zu fallen und erst wieder aufwachen zu wollen, wenn die Pandemie vorbei ist? Ich schließe von mir auf andere, wenn ich behaupte, dass es vielen Menschen so geht. Wir möchten ein volles Leben, mit allen Möglichkeiten, mit Nähe, Freundschaft und gemeinsamem Feiern – und die andauernde Verunmöglichung bringt uns an den Rand unserer Geduld oder eben zu einer unmöglichen Sehnsucht, wie Kinder sie manchmal haben: wenn ich morgen aufwache, ist alles wieder gut. Aber so gut manche Sehnsüchte sein können, diese hilft uns kaum weiter. Wir wissen ja nicht, wie lange diese Pandemie noch dauern wird. Zum Glück gibt es Erfahrungen, wie man mit unabänderlichen Gegebenheiten gut umgehen kann. Was meine ich da konkret?

In der Gestalttherapie spricht man vom Paradoxon der Veränderung: „Veränderung geschieht, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn er versucht, etwas zu werden, das er nicht ist.“ So formulierte es Arnold Beisser, der als angehender Arzt und erfolgreicher Tennisspieler mit 25 Jahren an Kinderlähmung erkrankte und fortan nur im Rollstuhl und zeitweise auch nur mit eiserner Lunge leben konnte. Sein, was man ist? Was heißt das für uns?

Wenn wir nur sehnsüchtig an das denken, was derzeit nicht möglich ist und es herbeisehnen, wird uns das nicht weiterbringen. Wenn wir hingegen wahrnehmen, wie es jetzt gerade um uns bestellt ist – also vielleicht sind Sie traurig, weil Sie alleine sind, oder vielleicht freuen Sie sich gerade über ein Telefonat mit einer Freundin – also wenn wir ein ehrliches „JA“ sagen können zu unserer momentanen Befindlichkeit, dann ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dass das leicht ist, will ich nicht behaupten. Aber interessant daran ist, das gilt auch für uns als Gemeinde. Also: Ja, wir leiden unter der Pandemie, weil unser Gemeindeleben quasi brach liegt. Ja, viele vermissen die ungezwungenen Kontakte und Gesprächsmöglichkeiten bei diversen Veranstaltungen. Und Ja, wir machen uns Sorgen, wie es wohl weitergehen wird.

Auch wir als Gemeinde können nur sein, was wir sind. Jede und jeder, die und der sich einbringt, gestaltet unser Gemeindeleben mit. Es hilft uns nicht, nach Möglichkeiten zu schielen, oder Verlorengegangenes zu betrauern; es tut jedem Menschen und auch uns als Gemeinde gut, das derzeitige Sein zunächst einmal anzunehmen – also JA dazu zu sagen. So ist es nun mal!

Dann erst wird es uns möglich sein, auch wieder VOLL da zu sein. Denn zum „Voll“ gehören alle unsere Anteile. Die Sorgen und Ängste genauso, wie die Freude und Gestaltungskraft. Ich wünsche uns in dieser Zeit, dass der Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit der Begleiter auf unseren Wegen ist. Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser möge das JA-Sagen zu dem, wie Sie jetzt gerade da sind, immer wieder aufs Neue so gelingen, wie es Dietrich Bonhoeffer auf bewundernswerte Weise gelungen ist. Obwohl er inhaftiert und seine Lage aussichtslos war, hat ihn sein Glaube getragen, sodass er uns Schriften wie das zitierte Bekenntnis (das wir übrigens öfters im Gottesdienst beten) hinterlassen konnte. Ein Bekenntnis voll Zuspruch, das auch uns helfen kann. Mit diesem Vertrauen wird es auch uns als Gemeinde wieder möglich, VOLL da zu sein. Mit Herzblut und Engagement, mit Freude und Zuversicht aber auch mit Demut und Gelassenheit – weil wir uns in Gottes Geborgenheit getragen wissen dürfen.

Das wünscht Ihnen herzlichst

Irmi Lenius

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DEMNÄCHST: Unterwegs zur neuen Orgel am 3. April

Gehofft hatten wir, dass der Überspannungsschaden an unserer Orgel behebbar sein könnte. Allein – es wird von Fachleuten als hoffnungs- oder sinnlos erklärt. Also entschieden wir uns für eine Neuanschaffung. Dafür brauchen wir viele UnterstützerInnen. Eine gute Möglichkeit bietet das Passionskonzert „Tränen“. SOLEttino vocale möchte die Spenden dieses Abends dem Orgelprojekt „Evangelische Lutherkirche Stockerau“ widmen. Wir freuen uns über die Bereitschaft der MusikerInnen und laden herzlich zu diesem Konzert ein.

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Aus dem Presbyterium

In den vergangenen Monaten haben wir uns mit sehr verschiedenen Themen befasst.

Hilfestellung für Bedürftige, sei es seelsorgerlich oder finanziell, lag immer wieder ganz oben auf. Die Gottesdienstplanungen für Weihnachten geschahen 2021 schon mit einer gewissen Corona-Routine. Immer wieder galt es auch, sich über Ökumene und Entwicklungen in unserem kirchlichen Umfeld auszutauschen. Die Planung des Glockenturms für Hollabrunn wird nun konkret, weil die Baubewilligung der Gemeinde nun erteilt wurde. Derzeit erfolgt die Aktualisierung der Kostenvoranschläge, damit die kirchliche Bewilligung eingeholt und noch vor dem Sommer mit dem Bau begonnen werden kann. Der Überspannungsschaden und in diesem Kontext die Anschaffung einer neuen Orgel in Stockerau veranlassten uns, unsere Diözesankantorin Sybille von Both zu Rate zu ziehen. Von mehreren Seiten informiert, mussten wir letztendlich akzeptieren, dass eine Reparatur nicht sinnvoll ist. Eine Neuanschaffung wird in die Wege geleitet. 

Die nächste Gemeindevertretersitzung ist für den 13.3.2022 angesetzt.

Leider ist eine Planung von Veranstaltungen immer noch kaum realistisch möglich und immer wieder muss auch auf Kirchenkaffee und Familiengottesdienst verzichtet werden.

Irmi Lenius hat ihre Tätigkeit als Krankenhausseelsorgerin in Stockerau nun beendet und diese Funktion zurückgelegt. Wir danken Irmi für ihren jahrelangen, liebevollen und sehr engagierten Dienst im Krankenhaus, hat sie doch nicht nur wöchentlich Besuche mit unzähligen wertvollen Gesprächen durchgeführt, sondern lange Zeit auch regelmäßig Gottesdienste im Krankenhaus Stockerau abgehalten. Dabei stand für sie immer der Mensch im Mittelpunkt, nie etwa die Zahl der BesucherInnen. Herzlichen Dank dafür! Die offizielle Entpflichtung von Irmi von dieser Funktion soll beim Gottesdienst am 13.3.22 stattfinden. Irmi bleibt uns als Kuratorstellvertreterin, Presbyterin und Lektorin, sowie Redakteurin der Gemeindenachrichten aber weiterhin erhalten.

Gert Lauermann, Kurator

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DEMNÄCHST: Orgelkonzert am 21. Mai

Alles neu macht der Mai, oder: Wie Helles Dunkles überwindet

Melitta Ebenbauer spielt ein Benefizkonzert zu Gunsten der neuen Orgel in unserer Stockerauer Lutherkirche.

Es kommen Werke von Jean Alain, Johann Sebastian Bach, Georg Böhm, Edward Elgar und Matthias Nagl zur Aufführung.

21. Mai 2022, 19:30 Uhr
Lutherkirche Stockerau

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Rück- und Aussicht unseres Superintendenten anlässlich 75 Jahre Superintendenz

Bild: Helmut Rasinger

Im heurigen Jahr begeht die evangelische Kirche 75 Jahre Superintendenz in Niederösterreich. Zu Beginn der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen sprach Sonja Planitzer von Kirche bunt aus St. Pölten mit unserem Superintendenten Lars Müller-Marienburg, wie sein Resümee nach 75 Jahren Superintendenz ausschaut, wie er das ökumenische Miteinander insgesamt und das Miteinander mit der katholischen Kirche im Besonderen erlebt, aber auch über den Schwund von Gläubigen und über die Zukunft der evangelischen Kirche in Niederösterreich.

Im heurigen Jahr begeht die evangelische Kirche das 75-jährige Bestehen der Superintendenz Niederös­terreich. Was war der Anlass für die Gründung?

Superintendent Lars Müller-Marienburg: Damals standen wir vor einer großen Herausforderung, da unsere Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg stark und schnell gewachsen ist. Grund dafür waren die Flüchtlingsbewegungen, es kamen sehr viele Evangelische nach Österreich. Das stellte eine große Integrationsaufgabe dar und vor allem gab es schlichtweg nicht genug Platz. In den 1950er- und 1960er-Jahren gab es viele Pfarrgemeindegründungen, um dieser Menge Herr zu werden zu können. Das Amt des Superintendenten war damals ein Nebenamt zum normalen Pfarramt. Der erste Superintendent in Niederösterreich war der Pfarrer von Baden und deshalb war die erste Superintendenz in Baden. Einer seiner Nachfolger war dann der Pfarrer von St. Aegyd – er hatte kein Auto. Zu den Terminen in ganz Niederösterreich fuhr er mit der Bahn und dem Bus. Das wäre heute unvorstellbar. 

Und wie ist Ihr Resümee nach 75 Jahren Superintendenz?

Müller-Marienburg: Im Nachhinein muss man sagen, dass sich manches anders entwickelt hat als erwartet. Z. B. bei der Mitgliederentwicklung. Im Prinzip hätte man nur eine Übergangslösung für ein paar Jahrzehnte gebraucht. Heute sind wir wieder weniger. Die Kirchenverfassung für Österreich ist auch in der damaligen Zeit entstanden und war auf 600.000 evangelische Kirchenmitglieder in Österreich ausgelegt, wir sind aber jetzt nur mehr 280.000. Wir stehen heute vor einem ähnlichen Übergang wie damals – nur umgekehrt. In Nieder­österreich machen wir mit 37.000 Mitgliedern nur rund drei Prozent der Bevölkerung aus. Pfarren haben wir 28!

Der Blick zurück ist also ein wehmütiger? 

Müller-Marienburg: Nein, es ist ein dankbarer Blick zurück, denn man kann schon sagen: Vor 75 Jahren war die evangelische Kirche wahrscheinlich ganz wenig in der Öffentlichkeit und in der Republik Österreich verankert. Die Evangelischen waren ja aus verschiedenen Gründen von außen als Fremdkörper wahrgenommen worden und wir selber haben das auch geglaubt, was seit Jahrhunderten gesagt wurde: Dass Österreicher nicht evangelisch sein können. Die Schaffung der Superintendenturen hat uns schon viel gebracht und es war klug, diese nach den Bundesländern auszurichten. Heute werden wir als Ansprechpartner wahrgenommen. Das gilt insbesondere für das Land Niederösterreich, denn meine beiden Vorgänger haben es in ihrem jahrzehntelangen Wirken geschafft, die evangelische Kirche im Denken des Landes zu etablieren.

Wie sehen Sie die Zukunft der evangelischen Kirche in Niederösterreich bzw. in ganz Österreich?

Müller-Marienburg: Wir haben österreichweit einen Strukturprozess eingeleitet, der heißt „Aus dem Evangelium leben“ – kurz nennen wir das AEL. Da geht es um die Frage: Wie setzen wir die Organisation auf, dass am Ende etwas Gescheites rauskommt? Es ist kein Strukturprozess von oben nach unten, sondern umgekehrt. Dabei können sich Pfarrgemeinden oder Verbünde von Pfarrgemeinden für drei Jahre als Erprobungsraum bewerben. Sie haben gewisse kirchenrechtliche Freiheiten und erhalten auch etwas Geld. Nach den drei Jahren schauen wir, was funktioniert hat und wie die Struktur der Kirche aussehen muss, damit solche gute Arbeit vor Ort leichter möglich wird. 

Gibt es dafür konkrete Beispiele?

Müller-Marienburg: Im Prinzip ist es ganz frei und basal. Die Pfarre Gmünd/Waidhofen an der Thaya bekommt etwas Geld, um in die Öffentlichkeitsarbeit zu investieren. Die Pfarrgemeinde umfasst zwei Bezirke und hat 600 Mitglieder. Die müssen irgendwie für die eigenen Leute und die Öffentlichkeit sichtbar werden. Da kann man dann schauen, ob wir mehr in die Öffentlichkeitsarbeit investieren müssen. In Wiener Neustadt gibt es ein Projekt mit einem Lerncafe, ein ganz klassisch diakonisches Jugendprojekt. Wir sind auch die einzige Superintendenz, die einen Erprobungsraum eingereicht hat. Wir gehen der Frage nach, was unseren Erfolg ausmacht und woran wir unser Arbeiten messen könnten. Bei uns müssen alle immer über alles berichten – und es wird ganz viel auf Zahlenbasis berichtet. Es macht mich unruhig, weil alle wie die Verrückten arbeiten und am Ende des Jahres kommt ein Minus raus. Als Organisation machen wir uns kaputt, wenn wir nur zahlenmäßig denken und wenn das Ergebnis unserer Arbeit dadurch immer negativ ist. Es geht also darum, zu schauen und zu verstehen, was das Wichtige an unserer Arbeit ist und woran man den Erfolg – abgesehen von den Zahlen – messen kann. Es gibt, das wissen wir alle, Pfarrerinnen/Pfarrer und Pfarrgemeinden, die besser arbeiten als andere. Die Frage ist, was macht das aus? Und wie kann man das berichten und darstellen?

Wie ist aus Ihrer Sicht das ökumenische Miteinander in Niederösterreich?

Müller-Marienburg: Für uns ist völlig klar, dass es ohne Ökumene nicht geht. Wir haben überhaupt nicht die Möglichkeit, uns einer Fantasie hingeben zu können, dass wir da allein auf der Welt sind. Uns ist völlig klar, dass die anderen Religionen und Konfessionen auf keinen Fall unsere Konkurrenten sind, denn inzwischen sind in Österreich rund 30 Prozent der Bevölkerung ­ohne religiöses Bekenntnis. Wir haben also alle genug Missionsgebiete. Die Herausforderung in Österreich ist eher, dass es kein Bild einer religiös vielfältigen Gesellschaft gibt, die ja die Realität ist. Ich finde es bedenklich, wie in der Öffentlichkeit die Existenz des Islams als zweitgrößte Religionsgemeinschaft des Landes und auch die orthodoxen Kirchen nicht vorkommen. Es ist wunderbar, dass die evangelische Kirche bei den Veranstaltungen in Niederösterreich immer dabei sein darf, aber ich verstehe nicht, warum da keine Repräsentanten des Islams oder der Orthodoxie eingeladen werden. 

Und wie im Konkreten ist das Miteinander mit der katholischen Kirche?

Müller-Marienburg: Für uns ist es total wichtig, mit der katholischen Kirche gut zusammenzuarbeiten. Und: Ich will nichts mehr, als dass es der katholischen Kirche gut geht, weil sie nicht unsere Konkurrentin ist und weil sie trotzdem noch vorgibt, wie die Stimmung im Land zum Thema Religion ist. Wenn das eine Organisation ist, der die Leute vertrauen und die vertrauenswürdig ist, dann ist das das Bes­te, was uns passieren kann.

Tatsache ist aber auch, dass praktisch alle Kirchen – nicht nur die evangelische oder die katholische Kirche – Mitglieder verlieren. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Müller-Marienburg: Ja, es verlieren alle an Mitgliedern, nicht nur Kirchen und Religionsgemeinschaften, sondern auch Parteien, Vereine etc. Das hat wohl mehrere Gründe. Ich sehe es mit Sorge, dass wir als Kirche es nicht schaffen, den Leuten zu zeigen, was wir anzubieten haben. Die Menschen haben ein spirituelles Bedürfnis, sie haben auch Sehnsüchte und Fragen. Ich glaube, wir haben hier vieles selbst verschuldet, denn den Kirchen ist es über die Jahrhunderte nicht gelungen, an den Fragen der Leute einen Anschluss zu halten. Ich glaube, die Kirchen haben es auch verabsäumt, etwas zur spirituellen Entwicklung der Gesellschaft beizutragen. Oft sind die Kirchen die, die bei allem, was neu kommt, sagen: Das geht auf keinen Fall. Natürlich muss man bei manchem sagen: Das geht nicht. Aber es kann nicht die automatische Antwort sein. 

Dabei ist die evangelische Kirche in vielem sehr offen. Ist das kein Vorteil?

Müller-Marienburg: Das ist schon richtig und wir Evangelische sind wohl in manchen Fragen an einem anderen Punkt als die Katholischen. Dennoch trifft es auch auf uns zu, denn wenn man mit 17- oder 18-Jährigen spricht und wenn man ihnen das, was wir als evangelische Kirche haben, als toll verkauft, dann lachen die uns aus. Die sind da im Denken schon viel weiter.

Was haben die Kirchen verabsäumt?

Müller-Marienburg: Es geht um die Frohe Botschaft – und nur um die! Natürlich müssen wir schauen, dass alles gut läuft, die Mitarbeitenden ihr Gehalt bekommen etc. Aber es geht letztlich nur um die Theologie und darum, dass die Menschen von Gott hören. Ich bin überzeugt, dass wir den Leuten nicht sagen müssen, wie sie zu leben haben, sondern die Leute müssen eine Begleitung finden, wie sie ihr Leben mit Gott meistern können. Der Glaube und auch die Kirche müssen ein Mehrwert sein und etwas Befreiendes – und nicht eine Einschränkung. Wir müssen als Organisationen schauen, dass wir den Menschen verständlich machen, worum es uns geht – und vielleicht müssen wir das auch für uns selber klarer haben.

Wir danken der Zeitung Kirche bunt aus St. Pölten, die uns dieses Interview zur Verfügung gestellt hat.

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NÖ: Evangelische feiern 75 Jahre Superintendent

Festgottesdienst aus Baden

Baden/St. Pölten (epdÖ) – Mit einem Gottesdienst und einem multireligiösen Gebet hat die evangelische Diözese Niederösterreich am Sonntag, 23. Jänner, die Feierlichkeiten zu ihrem 75jährigen Bestehen eröffnet. Die Feier sollte an die erste Sitzung der demokratisch gewählten Superintendentialversammlung erinnern, die auf den Tag genau vor 75 Jahren in Baden stattgefunden hatte. Der Einladung der Diözese waren auch Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Niederösterreich ebenso wie Vertreter zahlreicher in Niederösterreich beheimateter Glaubensgemeinschaften gefolgt, darunter Petrus Hübner (Römisch-katholische Kirche), Johannes Wittich (Evangelische Kirche H.B.), Bjarne Bijelić (Serbisch-Orthodoxe Kirche), Richard Gödl (Altkatholische Kirche), Gerhard Weißgrab (Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft) und Yasin Cancetin (Islamische Glaubensgemeinschaft). Die Liturgie gestalteten Ortspfarrer Wieland Curdt und Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour. 

Dem Glauben zutrauen, dass er etwas bewirkt.

“Ich bin dankbar für die vergangenen 75 Jahre der evangelischen Superintendenz Niederösterreich, dankbar für das evangelische Leben in diesem Land in den Jahrhunderten davor, als Teil der Superintendentur Wien seit 1783, bin dankbar dafür, dass der Glaube die schweren Zeiten des 16. Jahrhunderts überstanden hat, dankbar für die große Bewegung des 16. Jahrhunderts und für die eineinhalb Jahrtausende gemeinsame Kirchengeschichte davor”, sagte Superintendent Lars Müller-Marienburg in seiner Predigt. Die Evangelische Kirche setze sich mit ihrem Glauben und ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement “nicht nur für das Gute für uns Evangelische, sondern für alle Menschen, die hier leben, ein”. Für die Zukunft wünsche er sich, “dass wir nach dem Beispiel Jesu dort helfen, wo wir helfen können, uns auf die Menschen und ihr Leben einlassen, ohne sie zu bewerten, voller Hoffnung auf das Gute und die Stärke des Glaubens”. Gerade als Minderheit gelte es, “unserem Glauben zuzutrauen, dass er etwas bewirkt”.

Bild: Fussi, NÖN

Im Anschluss an den evangelischen Gottesdienst sprachen die Vertreter der Religionsgemeinschaften Friedensgebete, “als Zeichen dafür, dass wir gemeinsam zum Frieden und Wohlergehen dieses Landes beitragen wollen”, wie Superintendent Müller-Marienburg betonte. Danach betete die Festgemeinde das sogenannte “Gebet der Vereinten Nationen”, das der US-amerikanische Dichter und Pulitzer-Preisträger Stephen Vincent Benét 1942 verfasst hatte.

Die Grüße von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner überbrachte Landesrat Martin Eichtinger. Er würdigte den “aktiven und intensiven Austausch” der Religionsgemeinschaften in Niederösterreich. Religionsgemeinschaften spielten “eine große Rolle in unserer Gesellschaft”, so der Landesrat, “sie geben den Menschen Halt und Hoffnung und sind Richtschnur unseres Zusammenlebens”. Die evangelischen Pfarrgemeinden, die sich erst nach dem Toleranzpatent von 1781 in Niederösterreich entfalten konnten, seien heute “eine große Bereicherung für unser Land”. Eichtinger dankte der Evangelischen Kirche für “das gelebte Miteinander” und besonders auch der evangelischen Arbeitsgemeinschaft Diakonie Niederösterreich für ihr soziales und humanitäres Engagement für Menschen in Not.#Der Evangelischen Kirche A.B. in Niederösterreich gehören 37.028 Menschen in 28 Pfarrgemeinden an (Stand 2021). Die Gemeinden Purkersdorf, Klosterneuburg, Stockerau, Bruck/Leitha, Korneuburg, Straßhof, Mistelbach und Schwechat kamen erst ab 1990 sukzessive von der Wiener zur niederösterreichischen Diözese. Lars Müller-Marienburg ist der siebente Superintendent seit 1947. Er wurde 2016 von der aus geistlichen und weltlichen Delegierten bestehenden Superintendentialversammlung in sein Amt gewählt.

Außerdem geplant für 2022:

  • Frühlingsfest in der Superintendentur
  • Donnerstag, 16. Juni 2022: Kirchentag NÖ in Waidhofen/Ybbs (zugleich 100-Jahr-Feier der Pfarrgemeinde)
  • An einem Freitagnachmittag im Oktober 2022: Festakt und Empfang im Niederösterreichischen Landhaus St. Pölten
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JA zur Zukunft: Einkaufen

Bewusst einkaufen – lokal und öko-fair  

Wir kaufen bevorzugt bei Kleinbetrieben im Ort und achten bei unserem Einkauf auf ökologische und soziale Kriterien 

Konsequent lokale und regionale Firmen zu stärken erhält den Wohlstand und den Zusammenhalt in der Region. In der eigenen Umgebung einzukaufen hat viele Vorteile, denn regionale Lebensmittel stehen für eine besondere Qualität. Durch kurze Transportwege können Obst und Gemüse auf den Feldern ausreifen. Durch den Kauf von Fleisch direkt beim Erzeuger wird unnötiges Tierleid vermieden.  In Pfarrgemeinden geht es neben Nahrungsmitteln auch um Büromaterialien, den Gemeindebrief oder die Organisation von Sitzungen und Festen. Es ist immer sinnvoll darauf zu achten, welchen Weg ein Produkt zurückgelegt hat (CO2-Fußabdruck).

Bei Lebensmitteln

  • fair gehandelter Kaffee, Tee, Orangensaft, Schokolade
  • Angebot von Leitungswasser
  • auch vegetarische Gerichte bei Festen

Bei anderen Produkten

  • über Einhaltung sozialer Standards bei der Erzeugung informieren 
  • Kinderarbeit hinterfragen
  • auf Langlebigkeit achten 
  • einheimische oder fair gehandelte Blumen verwenden/verschenken

Müll vermeiden 

Wir verzichten auf Wegwerfartikel und kaufen Mehrwegprodukte und recycelte Materialien

Müll vermeiden beginnt schon beim Einkauf. Benötigt man dieses Produkt wirklich? Braucht es einen großen SUV – auch wenn man im Flachland lebt? 

Wenn ich mich für einen Kauf entscheide, achte ich auf die notwendige Qualität. Das gilt ganz besonders für Bekleidung: welche Materialien werden verarbeitet und unter welchen Arbeitsbedingungen findet die Herstellung statt. Auch hier kann man die Transportwege berücksichtigen.  

Müll trennen ist gut, Müll vermeiden ist besser. Bei Veranstaltungen stilvoll von Porzellantellern statt Plastikgeschirr essen, Gläser statt Plastikbecher verwenden, Plastikflaschen und Dosen vermeiden. Beim Einkauf Mehrweggebinde verwenden, Im Büro den Papierverbrauch durch einfache Maßnahmen reduzieren. Aktuelle Tipps finden Sie auf www.widl.community

„Re-Use“ und Recycling  

Wir wollen wiederverwenden statt verschwenden

Wir müssen in unserem Tun und Handel immer mehr den Anforderungen der CIRCULAR ECONOMY (Kreislaufwirtschaft) gerecht werden.

Wenn das Produkt nicht mehr gebraucht wird, sollte es möglichst wieder in den Kreislauf eingebracht werden. Energetische Verwertung (Müllverbrennung) steht am Lebensende eines Produkts.

Wiederverwenden durch andere Menschen (Teilkreise) oder andere Nutzungsmöglichkeiten (werden Sie kreativ: bemalte Dosen als Blumentöpfe) schont Natur und Geldbörse. Recycling reduziert Abfall, schont Ressourcen, und die Produkte sind erstklassig. Recyclingpapier ist um ein Vielfaches umweltschonender, außerdem erfüllen Produkte mit Umweltzeichen wie zb. „Blauer Engel“ hohe Umweltanforderungen. 

Bearbeitet von Hubert Culik

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Menschen des Friedens: Jitzchak Rabin

Bild: Yaakov Saar, GPO (cc by-sa 3.0)

In der Rubrik ‚Menschen des Friedens‘ möchten wir Ihnen diesmal einen Mann vorstellen, der am 1.3.2022 seinen 100. Geburtstag feiern würde, wäre er nicht im November 1995 durch den feigen Mordanschlag eines rechtsextremen, religiös-fundamentalistischen israelischen Jurastudenten ums Leben gekommen: Jitzchak Rabin – israelischer Militär, Diplomat und Politiker. 1994 erhielt er als israelischer Ministerpräsident gemeinsam mit seinem damaligen Außenminister Schimon Peres und dem langjährigen PLO-Chef und ersten Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Arafat, den Friedensnobelpreis.

Nach einem kurzen Abriss von Jitzchak Rabins Lebens, wird es im zweiten Teil des Artikels um die bedeutsamen Jahre von 1993 bis 1995 aus der Sicht seiner Frau Lea gehen, die sie in ihren Erinnerungen unter dem Titel ‚Ich gehe weiter auf seinem Weg‘ 1997 veröffentlicht hat (siehe unten!).

Am 1. März 1922 wurde Jitzchak als Sohn der aus Rußland stammenden Rosa Cohen und des Ukrainers Nehemiah Rubitzov in Jerusalem geboren. Nach dem Besuch der Landwirtschafts-schule kämpfte der außergewöhnliche Mann in den zionistischen Einheiten der Hagana und des Palmach gegen die britischen Mandatstruppen und im israelischen Unabhängigkeitskrieg. 1948 – im Jahr der Gründung des Staates Israel – heiratete Jitzchak die in Königsberg geborene deutsche Jüdin Lea Schlossberg. Das Paar bekam zwei Kinder – Dalia (* 1950) und Juwal (*1955).

Vom Generalstabschef bis zum Ministerpräsidenten

In der Folge machte Rabin Karriere in den israelischen Verteidigungsstreitkräften. Von 1964 bis 1968 war er deren Generalstabschef. 1967 führte er die Streitkräfte im Sechs-Tage-Krieg, der mit einem Sieg Israels endete – das in der Folge Ostjerusalem, das Westjordanland, den Gazastreifen, die Golanhöhen und den Sinai kontrollierte.

Nach dem Ende seines Militärdienstes wurde Rabin 1968 israelischer Botschafter in den USA. Zurückgekehrt nach Israel wurde er 1973 zum Abgeordneten der Arbeitspartei in der Knesset gewählt und von Ministerpräsidentin Golda Meir zum Arbeitsminister ernannt. 

Ein Jahr später übernahm er bis zu seinem Rücktritt 1977 den Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten. 1984 kehrte er als Verteidigungsminister in die Regierung zurück und 

veröffentlichte 1989 ein Programm schrittweiser Verhandlungen mit den Palästinensern, das die Grundlage des Friedensprozesses wurde. 

1992 löste Rabin Schimon Peres als Parteiführer ab, führte die Arbeitspartei zum Wahlsieg und trat seine zweite Amtszeit als Ministerpräsident an. Er machte Peres zum Außenminister und behielt selbst das Verteidigungsministerium. In der Folge spielte Rabin eine tragende Rolle bei den Friedensgesprächen mit den Palästinensern, sowie den arabischen Ländern und wurde zu einem der Architekten des Friedensprozesses im Nahen Osten. 

Der Weg der Friedensgespräche bis zum Händedruck mit Arafat

Bild: gemeinfrei/Public Domain

Anfang 1993 gab Außenminister Peres einer Initiative israelischer Akademiker grünes Licht Verbindung mit PLO- Funktionären aufzunehmen, um geheime Friedensgespräche in Gang zu bringen. Mit Unterstützung des norwegischen Außenministeriums fanden diese Gespräche in Oslo statt. Eigentlich Rivalen, ergänzten sich Perez und Rabin bei ihrem Engagement für ein Friedensabkommen, bei dem es um den Abzug der israelischen Armee aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen ging. Die Palästinenser sollten in diesem Gebieten gegen das Versprechen des Gewaltverzichts schrittweise Selbstverwaltung erhalten. In einem Zeitraum von 5 Jahren sollten Israel und die PLO auf die Lösung der noch offenen Streitfragen wie Grenzverlauf, Jerusalem und das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge hinarbeiten.

Umfragen in der israelischen Bevölkerung ergaben, dass die Menschen – in Erinnerung an den Golfkrieg – im Friedensprozess ein Element der Sicherheit sahen.

Amerika unterstütze den Friedensprozess. Sowohl zu Präsident Clinton als auch zu dessen Außenminister Warren Christopher hatte Jitzchak Rabin ein gutes Verhältnis.

Anfang September bot Clinton an, die Schirmherrschaft über die Unterzeichnung des Osloer Abkommens zu übernehmen, doch der Gedanke Arafat, der bis dahin ‚persona non grata‘ gewesen war, nach Washington einzuladen, bereitete ihm ebenso wie Rabin Unbehagen. 

Inzwischen unterzeichnete Arafat am 10.9.1993 in Tunis eine Anerkennung des Staates Israel und Rabin in Jerusalem ein Dokument, das die PLO anerkannte.

Am Abend desselben Tages eröffnete Warren Christopher Rabin telefonisch, dass Arafat zur Unterzeichnung einer Grundsatzerklärung käme. Damit war klar, dass er auch nach Amerika fliegen müsste.

Derweilen fühlte sich bei der Teilnahmediskussion der Initiator des Osloprozesses – Schimon Peres – übergangen und dachte an Rücktritt. Die Lösung war dann jedoch unkompliziert: die israelischen, palästinensischen und amerikanischen Regierungschefs und Außenminister waren zugegen als am 13.9.1993 die Grundsatzerklärung auf dem Rasen des Weißen Hauses unterzeichnet wurde. Die Deklaration beendete die Konfrontation und den Konflikt zwischen dem Staat Israel und dem palästinensischen Volk und schuf die Grundlage für Aussöhnung und eine Friedensregelung durch einen schrittweisen Prozess, der den Palästinensern die Autonomie bescheren würde. Ein historischer Händedruck zwischen Rabin und Arafat, der wohl beiden nicht leichtgefallen sein dürfte, besiegelte den Friedensschluss.

Der Friedensnobelpreis

Bild: Yaakov Saar, GPO (CC BY-NC-SA 2.0)

Bald nach diesem Ereignis erfuhr Israel eine Woge internationaler Anerkennung und Wertschätzung. Leider erlitt der Friedensprozess in der Folge immer wieder Rückschläge durch Anschläge fanatischer Menschen auf beiden Seiten. Im Mai 1994 wurde in Kairo dann Oslo – A unterzeichnet, ein Abkommen, das die Selbstverwaltung der Palästinenser in Jericho und Gaza vorsah. Rabin entwickelte zunehmend Respekt für Arafat, den er als starken und intelligenten Verhandlungspartner erlebte.

Im Juli desselben Jahres unterzeichneten Jitzchak Rabin und der jordanische König Hussein vor dem Weißen Haus eine Erklärung, die den Krieg zwischen Jordanien und Israel beendete.

Bei seiner Rede vor dem amerikanischen Kongress stellte Rabin fest: „Nur siebzig Autominuten trennen diese Städte – Jerusalem und Amman – und 46 Jahre.“ 

Im Oktober wurde ein umfassender Friedensvertrag an der israelisch-jordanischen Grenze bei Akaba/Eilat unterzeichnet und Rabin erfuhr, dass er Mitempfänger des Friedensnobelpreises war, der Jassir Arafat, Schimon Peres und ihm im Dezember 1994 in Oslo überreicht wurde. Rabin und Peres stifteten ihren Anteil am Preisgeld einem Fond, der dem Frieden dienen sollte.

In den nun folgenden Monaten arbeitete Rabin unermüdlich an der Umsetzung des Friedensprozesses, denn am 28.9.95 trafen sich Rabin, Arafat, König Hussein, der ägyptische Präsident Mubarak und Bill Clinton zur Unterzeichnung von Oslo-B in Washington. Damit wurde die palästinensische Autonomie auf die Araber im Westjordanland ausgedehnt.

Als letzter Redner wandte sich Jitzchak Rabin an die Zuhörer:

Werfen Sie jetzt nach einer langen Reihe offizieller, feierlicher Erklärungen einen Blick auf dieses Podium. Der König von Jordanien, der Präsident von Ägypten, Vorsitzender Arafat und wir, der Ministerpräsident und der Außenminister von Israel, auf einer Plattform. Lassen Sie diesen Anblick tief auf sich wirken. Was Sie hier vor sich sehen, war noch vor zwei oder drei Jahren unmöglich, ja fantastisch. Nur Dichter haben davon geträumt, und zu unserem großen Schmerz sind Soldaten und Zivilisten in den Tod gegangen, um diesen Augenblick möglich zu machen. Hier stehen wir vor Ihnen, Männer, die vom Schicksal und der Geschichte auf eine Friedensmission geschickt wurden: einhundert Jahre Blutvergießen für alle Zeiten zu beenden. Unser Traum ist auch Ihr Traum. König Hussein, Präsident Mubarak, Vorsitzender Arafat, all die anderen und vor allem Präsident Bill Clinton – ein Präsident, der im Dienste des Friedens arbeitet –, wir alle lieben dieselben Kinder, weinen dieselben Tränen, hassen dieselbe Feindschaft und beten um Versöhnung. Der Frieden hat keine Grenzen. 

Lea Rabin: Ich gehe weiter auf seinem Weg, S. 373 f.

Ja zum Frieden, Nein zur Gewalt

Innenpolitisch führte die Durchführung der Friedenspolitik zu einer zunehmenden Radikalisierung der politischen Diskussion in Israel und Rabins Regierung geriet zunehmend unter Druck. Es gelang nicht die Mitte-rechts-Positionen zu integrieren. Lea Rabin erzählt in ihrer Biografie von den Anfeindungen, die sie erlebten:

‚Da ist sie!‘ brüllten sie, als ich in die Garageneinfahrt unter unserem Miethaus einbog. Ich saß ganz allein in dem Wagen, kein Sicherheitsbeamter war bei mir. ‚Nach den nächsten Wahlen wirst du mit deinem Mann auf dem Marktplatz hängen. Mit den Füßen nach oben. Wie Mussolini und seine Mätresse‘, brüllte jemand aus der Menge. … 

Einige der Demonstranten vor unserem Mietshaus verglichen uns sogar mit Nicolae und Elena Ceaușescu, dem vielleicht meist geschmähten Despotenpaar der Neuzeit …

Jitzchak und ich bekamen diese Schmähungen, diese Vergleiche mit faschistischen Unmenschen immer häufiger zu hören, je mehr der Friedensprozess an Dynamik gewann. 

Auf einer Demonstration in Jerusalem einen Monat zuvor hielt Benjamin Netanjahu am Zionsplatz eine Rede, während irgendjemand ganz in seiner Nähe ein Bild, das Jitzchak in Naziuniform zeigte, vor einer laufenden Fernsehkamera hin- und herschwenkte. Vor unserer Haustür jetzt der gleiche Terror. An diesem Freitag, dem 3. November 1995, skandierten die Demonstranten auf der anderen Straßenseite ihre Diffamierungen, bis Jitzchak etwa gegen sechs Uhr abends nach Hause kam. Kurz nach seinem Eintreffen zogen sie ab. Weshalb waren die Befürworter des Friedensprozesses nie auf der Straße zu sehen? Weshalb verzichteten sie darauf, Flagge zu zeigen? Weshalb scheuten sie davor zurück, ihre Stimme ebenso vernehmlich zu erheben?…

Schon Monate zuvor waren in der Öffentlichkeit die ersten Poster aufgetaucht, die Jitzchak als Verräter und Mörder brandmarkten. Sie hingen an jeder Straßenecke, an Leitungsmasten, Pfosten und an Laternenpfählen. Fotomontagen zeigten Jitzchak mit der kufiyah, dem arabischen Kopftuch. Als ich einmal ohne Jitzchak mit dem Auto aus Jerusalem herausfuhr, bat ich den Fahrer, an einer Kreuzung anzuhalten. Wir stiegen aus und rissen diese schrecklichen Poster herunter, die Jitzchak als Verräter Israels darstellten.

Lea Rabin: Ich gehe weiter auf seinem Weg, S. 12 f.

Rabin ließ sich von den Demonstranten nicht beirren. Er war absolut davon überzeugt, dass der Friedensprozess mit den Palästinensern alternativlos für die Zukunft des Landes war.

Deshalb nahm er am Abend des 4. November 1995 an einer Friedenskundgebung unter dem Motto ‚Ja zum Frieden, Nein zur Gewalt!‘ auf dem Platz der Könige in Tel Aviv teil.

Er bekam die Jubelrufe zehntausender Menschen zu hören, die ihm ihre Zustimmung signalisierten und ihn ermutigten seinen Weg des Friedens fortzusetzen.

Aber ein Nobody mit einer Neun-Millimeter-Beretta in der Hand und Hass im Kopf zerriss das Lied seines Lebens…

Lea Rabin: Ich gehe weiter auf seinem Weg, S. 379

Christian Brost

Zitate Jitzchak Rabins

Ich möchte gerne jedem Einzelnen von euch danken, der heute hierhergekommen ist, um für Frieden zu demonstrieren und gegen Gewalt. Diese Regierung, der ich gemeinsam mit meinem Freund Shimon Peres das Privileg habe vorzustehen, hat sich entschieden, dem Frieden eine Chance zu geben – einem Frieden, der die meisten Probleme Israels lösen wird. …Der Weg des Friedens ist dem Weg des Krieges vorzuziehen. Ich sage euch dies als jemand, der 27 Jahre lang ein Mann des Militärs war.

Jitzchak Rabin – kurz vor den tödlichen Schüssen auf ihn (zitiert von Christoph Gunkel in: einestages, Zeitgeschichte Portal von Spiegel Online am 4. November 2015) 
Bild: IDF Spokesperson’s Unit (CC BY-SA 3.0)

Ich bin 27 Jahre lang Soldat gewesen. Ich habe so lange gekämpft, wie der Frieden keine Chance hatte. Jetzt aber gibt es eine Chance, eine große Chance, und wir müssen sie ergreifen, denen zuliebe, die hier sind, und auch um jener willen, die nicht gekommen sind.

Lea Rabin: Ich gehe weiter auf seinem Weg, S. 21

Heute beginnen wir hier in Washington am Weißen Haus eine neue Zeitrechnung in den Beziehungen zwischen Völkern, zwischen Eltern, die des Krieges müde sind, zwischen Kindern, die keinen Krieg mehr kennen werden,… 

Wir hegen keinen Wunsch nach Rache. Wir hegen keinen Hass Ihnen gegenüber. Wir sind ebenso wie Sie Menschen – Menschen, die sich ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und lieben wollen, die Seite an Seite mit Ihnen in Würde und Harmonie als freie Menschen leben wollen. Heute geben wir dem Frieden eine Chance und sagen erneut zu Ihnen: ‚Genug.‘

Wir wollen beten, dass ein Tag kommen wird, an dem wir uns alle von den Waffen verabschieden werden.“

Jitzchak Rabin am Tag der Friedensgrundsatzerklärung 13.9.1993 (zitiert von Lea Rabin: Ich gehe weiter auf seinem Weg, S. 379)
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Geistliches Wort

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.

Jahreslosung für 2022 aus dem Johannes-Evangelium, Kap. 6
Emil Nolde: Abendmahl

Wir tun gut daran Jesus immer wieder dort aufzusuchen, wo er war und ist: in einem fremden Land und in einer fremden Zeit, in einem in fremder Sprache redenden Buch oder in Worten, deren Sinn uns kaum mehr zugänglich ist. Aber wer anfängt, zu hören, wer anfängt, hinzusehen, dem stehen die Chancen günstig: Es ist durchaus möglich, zu verstehen, wer Jesus war.

Jörg Zink: Erfahrung mit Gott, S.40 f.

Zu Beginn des neuen Kirchenjahres grüße ich Sie mit dem biblischen Leitvers für das neue Jahr.

Nicht nur zu Zeiten von Corona sehnen wir Menschen uns nach Echtheit, Mitgefühl und einer Wertschätzung durch andere, die nicht an Bedingungen geknüpft ist. Wir brauchen das Gefühl angenommen zu sein und geliebt zu werden, um uns gesund entwickeln zu können. Ich bin überzeugt davon, dass das zu keiner Zeit anders gewesen ist.

In wenigen Wochen feiern wir Weihnachten. Wer mich kennt weiß, wie sehr ich das Fest der Geburt Jesu liebe, wie gerne ich diese Tage feiere, weil mir die Geschichte dieses außergewöhnlichen Menschen ans Herz gewachsen ist. Auch nach 2000 Jahren beschäftigen wir uns noch mit seinem Leben, seinen Taten und Worten, die wegweisend geworden sind für die Entwicklung der Menschheit.

Woher hatte Jesus seine atemberaubende innere Freiheit, seine Barmherzigkeit im Umgang mit anderen Menschen, seinen Mut gegen den Strom zu schwimmen?

Jesu soziale Herkunft war gering und ein wenig anrüchig. Nicht nur von seiner Mutter, sondern auch von seinem Ziehvater Josef erlebt Jesus, was ‚Angenommen-sein‘ heißt und wie wunderbar es ist, bedingungslos geliebt zu werden.

Und er lernt von diesem stillen, frommen Mann, was es heißt sich an Gott zu halten, dessen Wort in Jesu Familie barmherzig ausgelegt wird. Begleitet von einer Handvoll Jüngerinnen und Jünger zieht Jesus später lehrend und heilend durchs Land. Er weist niemanden ab, der zu ihm kommt. Mit den Menschen, die ihm auf seinen Wanderungen begegnen, teilt er Gottes Liebe, von der er selber lebt. Er nimmt die Menschen so, wie sie sind, bringt sie mit Gott in Verbindung und lehrt in einfachen, wunderbaren Bildern, dem Leben und der Liebe zu vertrauen. Dabei schlägt sein Herz besonders für die Ausgegrenzten seiner Zeit, die Menschen am Rande der Gesellschaft, die Armen, die Zöllner und Sünder. Mit ihnen setzt er sich an einen Tisch, bricht das Brot, teilt den Wein und veränderte dadurch Vieles.

Jesus ist überzeugt davon, dass Menschen, deren Seele krank ist, keinen Richter brauchen, sondern einen Arzt. Die Evangelien erzählen davon, dass und wie Menschen unter seiner ‚Behandlung‘ gesunden, seelischen Ballast loswerden und lernen, sich selbst und andere mit anderen Augen zu sehen, sie anzunehmen und mit ihnen Leben zu teilen.

Menschen sehnen sich bis heute nach Echtheit, Mitgefühl und einer Wertschätzung, die nicht an Bedingungen geknüpft ist. Jede und jeder von uns braucht das Gefühl angenommen zu sein und geliebt zu werden.

Teilen wir in diesen schwierigen Zeiten nach Jesu Vorbild mit den Menschen um uns, was wir selber im Glauben erfahren: Nehmen wir einander an, gerade auch die Menschen, die uns das nicht leicht machen, bieten wir ihnen ein offenes Ohr, eine helfende Hand, und leisten wir unseren Beitrag, dass sich ihr Leben entfalten kann.

Ein gutes und gesegnetes Kirchenjahr und ein erfreuliches, Corona-armes Jahr 2022
wünscht Ihnen

Ihr Pfarrer Christian Brost

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